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Eine Parallele zum 911? Ganz sicher. Natürlich will man als Designer, dass das Produkt, für das man verantwortlich ist, auf dem Markt ein Erfolg wird. Aber natürlich ist es auch schön, wenn es dann in einem Museum für Modern Art steht und für seine Design-Qualität Anerkennung findet. Wie erklären Sie als Chefdesigner die Faszination Porsche? Das Design spielt eine wichtige Rolle. Aber auch wie das Unternehmen gestartet ist, wie der 356 ins Leben kam, dann der 911, und natürlich die vielen Rennerfolge. Hinzu kommt die Faszination der Menschen, die die Autos fahren und die für Porsche arbeiten. Diese Motivation, dieses Engagement und diese Verbundenheit mit der Marke habe ich noch in keinem Unternehmen so gespürt. Haben Sie als Designer ein besonderes Vorbild? Zunächst einmal all die Chefs, mit denen ich zusammengearbeitet und von denen ich viel gelernt habe. Vor allem als jungen Designer haben mich die Autos von Giuseppe Bertone fasziniert. Eines meiner Lieblingsautos ist der Lancia Stratos, besonders im Vergleich zumWettbewerb der Zeit. Das Auto war ungeheuer progressiv und avantgardistisch. Wann ist etwas zeitlos, wann altert Design? Es ist meistens gefährlich, wenn ein Design auf Anhieb gefällt. Wenn niemand ein Störgefühl hat, dann wird es schnell als nicht mehr schön empfunden und altert. Umgekehrt kommt es häufig vor, dass ein Design anfangs nicht so gut gefällt und seine Liebhaber erst mit der Zeit findet. Oft braucht man auch etwas Abstand, weil Sehgewohnheiten imWeg stehen. Wie weit gehe ich also mit einem neuen Design? Gehe ich zu weit, ist es für viele schwierig zu verstehen. Gehe ich nicht weit genug, altert es zu schnell. Hier das richtige Maß zu finden, das ist die Kunst. Wenn Ihnen mal nichts einfällt, Herr Mauer, was machen Sie dann? Wenn es mit einem Projekt nicht weitergeht, helfen Erfahrung und eine gewisse Gelassenheit. Denn mein Unterbewusstsein arbeitet 24 Stunden am Tag daran und ich weiß, dass wir eine Lösung finden werden. Einfach ist das nicht, weil der Zeitdruck immer groß ist. Aber ich versuche dann auch einmal, nicht über Automobildesign nachzudenken, etwa beim Sport. Das hilft mir, die Enden neu zu verknüpfen und im Team Lösungen zu finden. Denn eines ist klar: Die finde ich nie allein. Wenn Sie den ganzen Tag Zeit hätten, mit welchem Porsche wären Sie am liebsten unterwegs? Und wo? Definitiv in den Alpen – also Bergstraßen, Pässe fahren –, aber gern auch mal auf der Rennstrecke. Das macht mir wahnsinnig viel Spaß. Und natürlich liebe ich es, klassische Porsche zu fahren, etwa meinen 964, aber ebenso den neuen 911. Am liebsten 2 Stunden den alten und 2 Stunden den neuen. Nächstes Jahr wird der 911 stolze 60 Jahre alt. Wie sieht der 911 wohl im Jahr 2083 aus, also in 60 Jahren? Wenn ich das wüsste … Nun, bei der Arbeit an der nächsten Generation 911 sind uns 2 Aspekte wichtig: Der neue 911 muss als 911 zu erkennen sein – und als der neue 911. Aber das ist eine Gratwanderung. Wie weit gehe ich? Nicht zu weit, aber weit genug. Ich behaupte einmal: Wenn es 2083 noch Autos gibt, dann wird man erkennen, dass es ein 911 ist. Aber er wird trotzdem ganz anders aussehen. Designer bei Porsche ist doch ein echter Kindheitstraum. Wollten Sie schon immer Designer werden? Eigentlich habe ich nach dem Abitur nicht so richtig gewusst, was ich machen soll. Ich bin meinem Vater sehr dankbar, dass er mein Faible für Autos und meine Begeisterung für das Zeichnen zusammengebracht hat. Er hat herausgefunden, dass es ein Berufsbild gibt, das beide Themen verknüpft. Ich habe dann bei Mercedes ein Praktikum im Design-Bereich gemacht und mir war schnell klar, dass Autos zu gestalten für mich ein Traumberuf ist. Sehen Sie sich bei Ihrer Arbeit eher als Künstler oder als Handwerker? Natürlich hat Design einen starken künstlerischen Aspekt. Wir reden über Proportionen, Formen, Flächenbehandlung. Aber es hat auch einen hand- werklichen Aspekt, den ich sehr spannend finde. Ob Kunst oder Handwerk: Mich reizt beim Design besonders, dass Ideen nicht in der Schublade verschwinden, sondern zu einem fertigen Produkt werden. Das fängt mit einer Zeichnung an und fährt irgendwann auf der Straße. Nicht nur als Einzelstück, sondern in mehrfacher Ausführung. Woher wissen Sie, ob das, was Sie täglich als Designer tun, nur der Mode folgt – oder doch zeitlos ist? Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das natürlich auch nicht. Aber Designer leben immer ein bisschen in der Zukunft. Wenn heute ein neues Auto vorgestellt wird, dann hat es ja den Design-Bereich schon verlassen und wir arbeiten bereits am Nachfolger. Wir sind der Zeit also ständig etwas voraus. Hinzu kommt das, was ich die empathische Kompetenz im Unter- nehmen nenne. Also zu fühlen, wo es hingehen könnte. Fragt man mich bei einer Produktentscheidung, welches von 3 Modellen in 5 Jahren das richtige sein wird – dann entscheidet ein Stück weit auch das Bauchgefühl. Also hat Design auch etwas Künstlerisches und Intuitives? Die Diskussionen mit Vertriebskollegen beschreibe ich gern als den Faktenraum: Zahlen, Daten, die Märkte, was wollen die Kunden? Es gibt aber noch einen zweiten Raum, den ich als Möglichkeitsraum beschreibe. Und der ist vorausschauend. Als Designer kann ich keine Fakten liefern. Aber ich glaube, wenn ein Unternehmen versteht, dass es diese beiden Aspekte gibt, dann ist es für die Zukunft gut gewappnet. Welches Design hätten Sie gern gemacht? iPhone oder Eames Chair? Eigentlich beide, aber ich interessiere mich sehr für Möbel. Und ich finde den Eames Chair unglaublich spannend, weil es ein Design ist, das sehr alt ist, aber offensichtlich nie altert. Designer geben der Zukunft ein Gesicht. Aber wie entsteht das Neue eigentlich? Zeichnet ein Designer einfach seine Träume auf? Greift er oder sie auf Bestehendes zurück, etwa auf die zeitlose Formsprache des Klassikers 911? Oder braucht es doch diesen Schuss Genialität – und jede Menge Finetuning im Team? Antworten gibt uns der Porsche Designchef persönlich, Michael Mauer. Zum kompletten Film-Interview mit Michael Mauer kommen Sie direkt über den QR-Code. DER EWIGMORGIGE. EIN GESPRÄCH MIT PORSCHE DESIGNCHEF MICHAEL MAUER ÜBER DIE ZEITLOSIGKEIT VON TRÄUMEN. TRÄUME UND TRÄUMER 37

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